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Die Testung von Produkten ist ein übliches Mittel, um sich ein Bild für die Kaufentscheidung zu verschaffen. Gerade wenn es sich um neuartige Produkte handelt und es daher an Erfahrungswerten fehlt. Es gibt verschiedene Arten von Teststellungen. Einerseits der testweise Einsatz der Produkte, um die Funktionalität zu testen (z.B. Probefahrten von Fahrzeugen, Testbetrieb von Computern etc.). Andererseits die Prüfung der Konstruktion eines Produktes (z.B. Analyse der verarbeiteten Materialien, Belastungsproben etc.). Vergaberechtlich besteht zwischen diesen Methoden kein wesentlicher Unterschied.

Im Wesentlichen gibt es vier unterschiedliche Ansätze, wie Teststellungen im öffentlichen Vergabewesen berücksichtigt werden können.

Erstens im Zuge der Markterkundung. Markterkundungen sind gemäß § 24¹  Bundesvergabegesetz 2018 (BVergG 2018) zulässig, sofern der Wettbewerb dadurch nicht eingeschränkt wird. Vorteil dieser Variante ist, dass der Auftraggeber vor Start des offiziellen Verfahrens relativ frei und informell testen kann. Allerdings bieten diese Teststellungen nur die Basis für die spätere Festlegung der technischen Anforderungen – es ist nicht gesichert, dass eines der getesteten Produkte angeboten bzw. zugeschlagen wird. Hier ist vor allem darauf zu achten, dass die Anforderungen nicht auf die getesteten Produkte zugeschnitten werden dürfen, sondern nur allgemeingültige Erkenntnisse berücksichtigt werden können.

  • Zu beachten ist, dass Teststellungen nicht vom Vergaberecht ausgenommen sind. Werden also Produkte zum Zweck der Testung erworben, so ist zu prüfen, ob dieser Erwerb ausschreibungspflichtig ist. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass gemäß § 13 Abs 1 BVergG 2018 getrennte Vergaben zur Bestimmung des Auftragswertes zusammen zu rechnen sind, wenn sie Teil des gleichen Vorhabens sind. Teststellungen können, als Vorbereitungshandlung, unter Umständen als Teil des geplanten (Haupt-) Beschaffungsvorhabens gewertet werden. Umgekehrt können aber kleine Teile eines Vorhabens unter bestimmten Voraussetzungen ohne Ausschreibung vergeben werden (sogenannte „Kleinlosregelung“ – siehe § 15 Abs 4 BVergG 2018).
  • In der Regel sind daher Teststellungen zur Markterkundung im Rahmen von Direktvergaben möglich, sofern der Wert der getesteten Produkte entsprechend gering ist.

Zweitens sind auch während des formellen Vergabeverfahrens Teststellungen möglich. In Anhang XI Abs 1 Z 4 BVergG 2018 ist ausdrücklich angeführt, dass „Muster, Beschreibungen und Fotografien der zu liefernden Waren“ als Eignungsnachweis (technische Leistungsfähigkeit) verlangt werden dürfen. Eignungskriterien sind auf das Unternehmen bezogen, das heißt formal geht es nicht darum, ob die Produkte den Anforderungen entsprechen, sondern ob das Unternehmen in der Lage ist, entsprechende Produkte zu liefern. Theoretisch wäre daher sogar eine Mängelbehebung denkbar – sofern das Angebot dadurch nicht abgeändert wird. In der Praxis ist dieser Unterschied aber von geringer Bedeutung.

Drittens können Muster als Bestandteil des Angebotes definiert werden. In diesem Fall ist das vorgelegte Muster Vertragsbestandteil und Maßstab für die in Folge gelieferten Produkte. Das ist bei der Vertragsabwicklung oft schwierig und ein mangelhaftes Angebot ist in diesem Fall kaum mehr zu sanieren (da eine Nachreichung oder ein Tausch des Musters das Angebot abändern würde). Dafür ist in dieser Variante eine Bewertung der Muster nach den Zuschlagskriterien möglich.

Viertens kann die Lieferung von Mustern im Rahmen der Vertragsausführung erfolgen (Testserie bzw. Ausfallsmuster). Der Auftraggeber ist in der Gestaltung entsprechender Vertragsbedingungen weitgehend frei. Allerdings wirkt sich diese Teststellung nicht mehr auf die Kaufentscheidung aus, sondern soll nur die korrekte Ausführung der Lieferung sicherstellen.
Den stärksten Einfluss auf die Kaufentscheidung hat eine Teststellung daher, wenn man sie im Rahmen des Vergabeverfahrens durchführt (Varianten 2 und 3). Allerdings unterliegt sie in dem Fall auch den strengsten Regelungen.

Bitte berücksichtigen: Aus Gründen der Gleichbehandlung und zum Schutz des Wettbewerbs sind die vorzulegenden Muster, der Ablauf der Teststellung sowie die für die Prüfung bzw. Entscheidung berücksichtigten Kriterien bereits vorab ausreichend klar zu definieren.
Außerdem können Muster als „besondere Ausarbeitungen“ gelten, die über den üblichen Aufwand einer Angebotserstellung hinausgehen. Insbesondere, wenn die Muster nach der Teststellung nicht – oder zumindest nicht ohne Wertverlust – rückgestellt werden können. In diesem Fall wäre die Teststellung gemäß § 130 Abs 2 BVergG 2018 dem Bieter zu vergüten.
Aufwand und Kosten sollen nicht abschrecken

Es gibt im Gesetz zwar keine ausdrücklichen Grenzen für Dauer oder Umfang von Teststellungen im Zusammenhang mit Vergabeverfahren. Rein pragmatisch ist allerdings zu berücksichtigen, dass Teststellungen Aufwand und Kosten verursachen und auf potentielle Bieter abschreckend wirken können. Teststellungen sollten daher auf ein sinnvolles Maß beschränkt werden. Oft empfiehlt es sich, nicht alle angebotenen Produkte zu testen, sondern nur eine repräsentative Auswahl. Formal ist aber darauf zu achten, dass die Teststellung noch keine Auftragsvergabe ist und sich daher auch klar von einer regulären Nutzung unterscheiden sollte – ansonsten könnte die Teststellung als Umgehung der Ausschreibungspflicht betrachtet werden. Das schließt Testungen unter Realbedingungen (Feldtests) – etwa den testweisen Einsatz in der eigenen Organisation, um die Kompatibilität mit den eigenen Abläufen zu prüfen – nicht kategorisch aus, so lange der Charakter als Test gewahrt wird. Derartige Tests erfordern in der Regel aber ohnehin längere Durchlaufzeiten und sind daher zum Einsatz während eines Vergabeverfahrens selten geeignet, sondern eher im Rahmen der Markterkundung praktikabel.

¹ § 197 für Sektorenauftraggeber

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