Die Stadtgemeinde Baden ist als Bezirkshauptstadt Verwaltungszentrum des Bezirks Baden sowie Wirtschaftsstadt, Schulstadt, Kurstadt und Tourismusstadt. Diese Funktionen ziehen Verkehr an. Das hat in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass der Parkraumdruck zugenommen hat. Der Gemeinderat der Stadt Baden hat daher im Juni 2021 Beschlüsse zu einem neuen Parkraumkonzept und zu einem Mobilitätspaket gefasst.
Unterschiedliche Zielgruppen sollen zum Umstieg auf alternative Verkehrsmittel angeregt werden. Dieser Umstieg soll, passend zur laufenden Entwicklung der Mobilität in Richtung fossilfreie Antriebsmittel, mit dem Schwerpunkt auf E-Mobilität erfolgen. Die Stadtgemeinde Baden möchte daher für die Stadt Baden ein Mobilitätspaket umsetzen, das den unterschiedlichen Zielgruppen ein umfassendes Mobilitätsangebot zur Verfügung stellt.
Für die Umsetzung des Mobilitätspaketes hat die Stadtgemeinde Baden ein öffentliches Vergabeverfahren unter dem Titel „Mobilitätspaket“ nach dem BVergGKonz 2018 zur Vergabe einer Dienstleistungskonzession durchgeführt.
Eckdaten des Projekts
- Projektdauer: 5 Jahre mit der Option zur Vertragsverlängerung (nach 5 Jahren - autom. Verlängerung um jeweils ein Jahr)
- Jahr der Umsetzung: 2022
- Beschaffungsart: Vergabe einer Dienstleistungskonzession
- Beschaffungsvolumen 2.4 Mio €
- Auftraggebende Organisation: Stadtgemeinde Baden
Ausgangssituation
Vorinformationen zum gegenständlichen Projekt wurden bereits im Vorjahr bei diversen Städten und Gemeinden (z.B. Stadtgemeinde Weiz, welche ähnliche Mobilitätsprojekte erfolgreich umgesetzt hatte) eingeholt. Um ein solch umfangreiches Vorhaben nachhaltig umsetzen zu können, sind wesentliche regionale Kennzahlen erforderlich. Entsprechend betrachtete die Stadtgemeinde Baden die Anzahl der PendlerInnen, Übernachtungsgäste, Tourismuszahlen der Statistik Austria, sowie Tarife der jeweiligen Fahrzeugkategorien in Ostösterreich.
Anfangs plante die Stadtgemeinde Baden als Auftraggeberin folgende Dienstleistungen (im Zuge eines Ausschreibungsverfahrens - Verhandlungsverfahren) selbst anzubieten:
- Shuttledienst für Kur-, Tages- oder Nächtigungsgäste Stationsbasiertes E-Carsharing für Gäste und EinwohnerInnen der Stadt
- Stationsbasierter touristischer (E)-Bike Verleih für Gäste und EinwohnerInnen der Stadt
- Stationsbasiertes (E)-City Bike Sharing für Gäste, PendlerInnen und EinwohnerInnen der Stadt
- Stationsbasiertes (E)-Scooter Sharing für Gäste, PendlerInnen und EinwohnerInnen der Stadt
Sämtlich Angebote sollten über eine digitale Applikation (barrierefrei) buchbar sein. Nach vertiefter interner Prüfung der gewünschten Projektanforderungen im Kontext mit dem daraus resultierenden wirtschaftlichen Risiko entschied sich die Stadtgemeinde Baden dafür, eine Anwaltskanzlei mit der entsprechenden Expertise zu beauftragen. Ferner sollte auch die fachliche und technische Komponente durch ein Verkehrsplanungsbüro begleitet werden.
Demzufolge wurde die Kanzlei Schramm & Öhler Rechtsanwälte GmbH und das Verkehrsplanungsbüro Komobile GmbH mit der Ausschreibung des Mobilitätspaketes der Stadtgemeinde Baden beauftragt. Der Hinweis, eine Dienstleistungskonzession anstelle einer klassischen Dienstleistung im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens auszuschreiben, wurde von der Stadtgemeinde näher betrachtet und aus folgenden Gründen angenommen: Die wesentliche Besonderheit einer Dienstleistungskonzession (BVergGKonz) besteht darin, dass der Konzessionsnehmer das wirtschaftliche Risiko (mit)trägt. Das bedeutet, dass der Konzessionsnehmer einerseits an mögliche Einnahmen im Zusammenhang mit dem Konzessionsgegenstand mitpartizipiert, andererseits aber auch das Risiko fehlender oder nicht ausreichender Einnahmen mitträgt (oder ausschließlich trägt).
Schramm-Öhler und Komobile arbeiteten mit der Stadtgemeinde Baden ausführliche Ausschreibungsunterlagen (Grundlagen zur Verfahrensordnung, Konzessionsvertrag und Leistungsbeschreibung) aus. Ein weiterer Vorteil des BVergGKonz ist die Zulässigkeit von Verhandlungen über den Auftragsgegenstand. Infolgedessen wurden Umsetzungskonzepte im Angebot der BieterInnen verlangt:
- Tarifgestaltung und Konzessionsmanagement
- Fahrzeugeinsatz und Stationen
- Werbung und Vertrieb
- Digitale Applikation
Jedes Umsetzungskonzept (Anm.: Mindestkriterien, wie Fahrzeugqualität, Serviceintervalle, App-Anforderungen, regelmäßiges Reporting, stationsbasiertes Sharing-System, Abrechnungsmodalitäten udgl. wurden von der Stadtgemeinde Baden vorgegeben) wurde entsprechend gewichtet und nach finaler Angebotslegung von einer Kommission (sachkundige Vertreter der AuftraggeberIn) bewertet. Ein weiteres Zuschlagskriterium war der jährliche Pauschalbetrag (möglicher Zuschuss der KonzessionsgeberIn zur Deckung der Ausgaben), welcher von den BieterInnen nach drei vorgeschlagenen Varianten anzubieten war.
Die Stadtgemeinde Baden hatte während der Angebotsfrist 85 BieterInnenanfragen (anonyme Aufklärungsanfragen über das ANKÖ Portal) zu beantworten. Diese bildeten das Fundament des heutigen Konzessionsvertrages. Eine auf BieterInnenseite geforderte Verlängerung der Angebotsfrist wurde von der Stadtgemeinde gewährt und vom 31.03.2022 auf den 15.06.2022 verlegt.
Die BIEGE ÖBB 360 Baden (bestehend aus ÖBB-Personenverkehr Aktiengesellschaft, Österreichische Postbus Aktiengesellschaft, Rail Equipment GmbH & Co KG und Inn-Bike GmbH) hatte als einziger Bieter ein umfangreiches, rechtsgültiges Angebot fristgerecht abgegeben. Nach positiv abgeschlossener Eignungsprüfung starteten die Verhandlungsrunden mit der Bietergemeinschaft. Neben den bereits in den Bieteranfragen behandelten Unklarheiten mussten noch weitere Punkte, wie FörderantragstellerIn, Stationsfestlegungen, Bike-Lounge oder Fahrradboxen, Kosten resp. Tarifgestaltung, Umsetzungsphasen und erforderliche Bauleistungen (Fahrradbügel, Ladeinfrastruktur, Beschilderung etc.) definiert werden. Auch ein entsprechendes Werbekonzept (u.a. Marke Baden mobil wurde entwickelt) mit der ÖBB war abzuklären. Das Logo der Stadt soll auf den angebotenen Fahrzeugen des Mobilitätspaketes als Angebot der Stadt deutlich erkennbar sein.
Nach finaler, zweiter Verhandlungsrunde und einigen internen ausführlichen Besprechungsrunden zwischen Politik, Verkehrsplaner, Anwaltskanzlei und Fachabteilungen der Stadtgemeinde Baden, erfolgte der Zuschlag aufgrund eines entsprechenden Gemeinderatsbeschlusses auf das „LAST AND FINAL OFFER (LAFO)“ der BIEGE ÖBB 360 Baden am 22.06.2022.
Innovativer Charakter
Der innovative Ansatz besteht darin, einen multimodalen Verkehrsknoten auf nachhaltiger Basis zu schaffen, welcher beinahe jede Zielgruppe anspricht. Somit wurde der Umstieg von fossilen Antriebsmittel auf ein alternatives (e)-Sharingsystem entsprechend für die jeweilige Zielgruppe ermöglicht. Die Angebotspalette reicht vom Kurgast (Shuttledienst mit Gebäckservice), den BewohnerInnen (E-Citybike), Touristen der Stadt (E-Mountainbike) bis hin zur dynamischen Jugend (E-Scooter). Ferner besteht die Möglichkeit sämtliche Mobilitätsangebote zu kombinieren und diese einfach und problemlos über eine App zu buchen. Auch überregionale Destinationen (z.B. Ausflüge) können schadstofffrei durch die Nutzung des E-Carsharings eingeplant werden.
Als weiterer innovativer Ansatz sind die GPS Module der Fahrzeuge erwähnenswert. Mithilfe dieser Module können E-Scooter als auch sämtliche Bike Kategorien stationsbasiert (Parkierungszonen) in Anspruch genommen und in Fahrverbotszonen begrenzt respektive gedrosselt werden. Um eine unkontrollierte Abstellung der Fahrzeuge im gesamten Stadtgebiet zu verhindern, sind die Scooter und Räder nur an den vorhergesehenen Zonen zu entriegeln bzw. die Fahrt wieder zu beenden.
Vorgehensweise
Die Implementierung des Mobilitätspakets startete noch im Sommer 2022 mit der ersten Umsetzungsphase. Entsprechend musste erst einmal die Infrastruktur, welche von der Stadt dem Vertragspartner (ARGE ÖBB 360 Baden) kostenlos zur Verfügung gestellt wird, hergestellt werden.
Nach Absprache mit der Stadtpolizei wurden Parkierungszonen festgelegt, Fahrradbügel und Beschilderungen montiert, Ladeinfrastruktur (Wallboxen für E-Carsharing) in Auftrag gegeben, sowie die Baumaßnahmen für die Bike-Lounge veranlasst. Auch die dazu erforderliche App musste von der ARGE ÖBB 360 Baden fristgerecht (eingeschränkt) bereitgestellt werden. Aktuell (Juni 2023) sind 41 Scooter-Stationen, vier E-Carsharing Fahrzeuge (Stationen: Parkhaus Römertherme und Park & Ride ÖBB) in der Stadtgemeinde Baden über die Wegfinder App zu buchen. Auch der Shuttledienst wird bereits in Anspruch genommen. Ein regelmäßiges Reporting über Buchungen, Auslastungen, Nutzungsdauer, Distanzen usw. erfolgt monatlich an die KonzessionsgeberIn.
Zweite Umsetzungsphase: Im Frühjahr 2023 wurde die Bike-Lounge (Brusattiplatz) fertiggestellt und sämtliche touristischer Bikes / e-Bikes (28 Bikes) fristgerecht geliefert, um das gesamte Mobilitätspaket im vollen Umfang anbieten zu können.
Ergebnis und Mehrwert
Folgende Kennzahlen der bis dato angebotenen Fahrzeuge (E-Scooter, Shuttledienst, E-Carsharing) wurden bereits von Sept.2022 – April. 2023 erfasst:
- E-Scootersharing 16.700 NutzerInnen
- E-Carsharing 163 NutzerInnen
- Gästeshuttle 33 NutzerInnen
Das Mobilitätspaket der Stadtgemeinde Baden trägt u.a. dazu bei, dass jede Fahrt mit einem Scooter oder Fahrrad (E-Citybike) Fahrten, insbesondere Kurzstrecken mit dem eigenen PKW ersetzt (CO2 neutral) und eine nachhaltige sowie zeitgemäße Mobilität fördert. Ferner steht auch der gesundheitliche Aspekt durch die körperliche Betätigung im Vordergrund.
Die Konzessionsnehmerin (ÖBB) hat die Pflicht, der Konzessionsgeberin (Stadtgemeinde Baden) monatlich Daten zur Nutzung zu übermitteln. Diese Daten umfassen zumindest die Anzahl der Nutzungen (Buchungen), Zahl der Benutzer, Häufigkeit der Nutzung durch einzelne Nutzer, zeitliche Dauer der Nutzung, Länge der Fahrtstrecken, Auslastungsgrade und Nettoerlöse pro Fahrzeugkategorie. Die erhaltenen Kennzahlen werden von der Stadtgemeinde erfasst und mit den Vormonatsdaten verglichen. Mögliche Fortschritte, Abweichungen udgl. sind demzufolge sofort erkennbar. Zum ständigen Austausch erfolgt ein wöchentliches Jour Fixe mit dem ÖBB Projektteam. Eine Besprechung über das vergangene Haushaltsjahr findet jährlich im Jänner des jeweiligen darauffolgenden Jahres Stadt. Schwerpunkte wie Projektentwicklung, Budgetplanung, Verbesserungspotential sind u.a. Agenden beim Jahresabgleich.
Ansprechpartner
Projektkoordination, Stadtamtsdirektion Stadtgemeinde Baden
Hr. Dipl. -Ing. Stefan Szirucsek
Bürgermeister Stadtgemeinde Baden